Herr Emmerling, nach zuvor sieben sieglosen Partien in Serie konnte der BSV Kickers gegen Altona 93 mal wieder gewinnen. War dies der erhoffte Befreiungsschlag?
Der Sieg am Samstag war wichtig, aber auch nicht mehr. In der Halbzeit habe ich der Mannschaft gesagt, dass sie keine Angst vorm Verlieren haben darf, sondern jetzt die Fesseln lösen muss und befreit aufspielen soll. Wir investieren immer viel, das sehen wir anhand der Laufdaten. Aber wir müssen in unserer Situation trotzdem immer noch etwas draufpacken.
Bleiben besagte Fesseln nun gelöst, sodass Ihre Mannschaft auch in den beiden kommenden Partien in Meppen und gegen Drochtersen/Assel punkten wird?
Das kann ich noch nicht sagen. Wir sind in dieser Saison noch nicht so gefestigt und bisher hinter unseren Möglichkeiten zurückgeblieben. Trotzdem hatten wir auch gute Spiele. In Oldenburg waren wir ebenbürtig und hätten unbedingt einen Punkt mitnehmen müssen. Daran wollen wir gegen diese beiden Topteams anknüpfen.
Die Partie am Samstag in Meppen ist ein Highlight. Vor der Saison wurden beide Teams als Favoriten auf die Meisterschaft gehandelt. Fahren Sie nun als krasser Außenseiter ins Emsland?
Das müssen wir so sagen beim Blick auf die Tabelle. Die Meppener spielen eine außergewöhnliche Saison und sind der Favorit. Sie besitzen viel Wucht und eine hohe Intensität. Für uns gilt es, dass wir vor der Kulisse dort unerschrocken dagegenhalten. Ich hoffe, dass wir das nötige Matchglück haben. Tido (Steffens, Anm. d. Red.) bestreitet am Samstag sein 400. Spiel für den BSV. Da würden wir ihm gerne mit dem Derbysieg ein kleines Geschenk bereiten.
„Letztlich hatten wir einen Fehlstart und haben früh in der Saison unnötig zu viele Punkte liegen lassen.“ (Stefan Emmerling)
Am 1. Spieltag verloren Sie 0:1 gegen Meppen. Hat dies im Nachhinein schon die Weichen für den enttäuschenden Saisonverlauf gestellt?
Meppen war im Hinspiel in Nuancen besser. Wenn wir mit einem Auftaktsieg gestartet wären, entwickelt sich in dieser Saison vielleicht alles anders, das haben wir ja in der letzten Saison gesehen. Danach mussten wir nach Drochtersen, wo es immer schwer ist. Dann scheiden wir auch noch direkt im Pokal aus. Letztlich hatten wir einen Fehlstart und haben früh in der Saison unnötig zu viele Punkte liegen lassen.
Ihr Job war zuletzt in Gefahr. Haben Sie Signale erhalten, dass Sie nach dem Sieg gegen Altona 93 nun wieder fester im Sattel sitzen?
Vier Punkte aus zwei Partien waren gute Ergebnisse. Aber wir sollten nicht wieder sieben Spiele sieglos bleiben. Mein Austausch mit Henning (Manager Henning Rießelmann, Anm. d. Red.) ist immer sehr ehrlich und vertrauensvoll. Wir leben vor, dass wir in diesem Verein auch mal schwierige Phasen gemeinsam überstehen wollen. Aber im sportlichen Bereich geht es auch immer um Ergebnisse. Auch bei uns. Bleiben diese aus, kann es immer mal eng werden. Das kennt jeder Trainer.
Wie gehen Sie mit dem Druck um, der aktuell auf Ihnen lastet?
Es gibt schönere Momente, das will ich auch gar nicht abtun. Das Gute ist: Als Spieler und Trainer habe ich schon viel erlebt. Auch solche Situationen. Es gab auch schon Endspiele, die verloren gingen. Aber viel schöner ist es natürlich, wenn man diese gewinnt. Man muss immer die Ruhe bewahren und darf nicht in Panik verfallen.
Am Samstag nach dem Sieg haben die Fans im Ostfriesland-Stadion Sie mit Sprechchören gefeiert.
Dafür bin ich sehr dankbar und weiß das zu schätzen. In den vergangenen sechseinhalb Jahren haben wir gemeinsam viele schöne Momente, aber auch schwierige Zeiten erlebt. Aber die letzten beiden Jahre nach dem Einstieg von Henning und seinem Team, mit unfassbaren 146 Punkten aus 68 Spielen und 162 geschossenen Toren, haben dazu geführt, dass der Verein wieder attraktiv wurde und die Spiele sehr gut besucht sind. Natürlich ist der Zuspruch toll und zeigt: Wir halten hier oben im Nordwesten extrem zusammen.
In der Hinrunde holte der BSV lediglich 19 Punkte. Warum gibt es eine derartige Diskrepanz zwischen dem Anspruch aus dem Sommer und der Realität?
19 Punkte sind deutlich zu wenig. Durch die letzten zwei erfolgreichen Jahre sind wir natürlich auch ein wenig verwöhnt. Für diese schwierige Phase gibt es viele Gründe. Wir kassieren teilweise unfassbare Gegentore und vergeben auch zu viele klare Torchancen. In Lübeck haben wir beim 2:2 wieder so ein Slapstick-Tor kassiert. Dazu kommen Entscheidungen der Schiedsrichter, wie zum Beispiel die unberechtigte frühe Rote Karte von Michael Igwe gegen Jeddeloh. In der Defensive sind Fabian Herbst, Jarno Janssen und Peer Mahncke zu Beginn der Saison ausgefallen, sodass wir häufig umstellen mussten. Aber Jammern hilft uns nicht, wir müssen all das annehmen.
„Es hat leider einfach zu lange gedauert, bis wir uns gefunden haben.“ (Stefan Emmerling)
Sind im Sommer im Nachhinein zu viele Neuzugänge gekommen?
Wir haben den Kern der Mannschaft gehalten und hatten gehofft, dass wir mit den Neuzugängen noch stärker werden. Es hat leider einfach zu lange gedauert, bis wir uns gefunden haben.
Hat es auch neben dem Platz zu lange gedauert, bis die Mannschaft sich gefunden hat?
Wenn du Spieler verpflichtest, weißt du nicht, was das für Typen sind. Sind sie Leader? Sorgen sie für Leben in der Kabine? Die Jungs sind wirklich alle in Ordnung. Viele sind jung und haben zum ersten Mal ihr vertrautes Umfeld verlassen. Dann dauert es auch manchmal etwas länger, bis sie richtig ankommen. Aber im Fußball haben wir nicht allzu viel Zeit.
Warum ist es nicht gelungen, den anvisierten dominanteren Spielstil zu implementieren?
In der letzten Saison haben viele Trainer uns als sehr unbequem empfunden. Wir hatten viel Wucht, viele Flanken, viele Standards. Manchmal kam nach Niederlagen aber auch Kritik auf. Unsere Analyse nach der letzten Saison hat ergeben, dass wir Spieler dazuholen wollen, die uns eine kreativere Note verleihen. Noch ist es uns nicht gelungen, beides im richtigen Mix zu kombinieren. Aber wir machen Fortschritte.
Wollen Sie im Winter Veränderungen im Kader vornehmen?
Hier in Emden weht auch mal ein rauer Wind. Wir haben der Mannschaft schon mitgeteilt, dass in der Winterpause die Karten neu gemischt werden. Für unzufriedene Spieler ergeben sich dann vielleicht neue Möglichkeiten. Und auch für uns ergeben sich neue Möglichkeiten. Wir schauen einfach, wer den Weg mit uns weitergehen möchte.